Freitag, 7. Januar 2011

Die Bahn wird Religion

Unsere liebe, gute, treue Deutsche Bahn (aber es heißt jetzt "Die Bahn", oder?).
Was wurde nicht über sie geredet, diskutiert, was hat sie nicht das Vertrauen ihrer Fahrgäste erschüttert, die ja doch wieder mit ihr fahren werden, weil müssen.
So einig man sich auch sein mag, wenigstens bei klarem Verstand, dass einige Instandhaltungsmaßnahmen an Nah- und Fernverkehrszügen dem Bau eines "funky" U-Bahnhofes in Stuttgart vorzuziehen wären - trotz allem werden wir wieder in diese Züge steigen, und eines schönen Tages vielleicht auch in der Stadt am und um den Neckar drumrum Halt machen.

Ich selbst bin ja nach zwei aufgefallenen Zügen ein wenig skeptisch der Bahn gegenüber und prüfe, schon Tage vor der Abreise, ob die Wagen, welche zuvor die jeweilige Strecke befahren, dies auch wirklich tun. Nun nennt mich bitte nicht paranoid, Vorsicht ist besser als Nachsicht. Und doch gebe ich es zu: als ganz und gar führerscheinloser Mensch werde ich wieder am Bahngleis stehen, und fällt der Zug aus, na, dann fällt er halt aus. Ich bin mir sicher, nicht die Einzige zu sein, die, alternativlos, den Kopf nach "Ansagen am Bahnsteig" reckt.
Menschen, vollkommen zu Recht aufgebracht, harren auf eisig kalten Bahnsteigen aus, pflaumen hier und da, vollkommen zu Unrecht, einen Mitarbeiter der Bahn an, der auch nicht viel besser informiert worden ist als sie.

Und wir werden wieder in diese Züge steigen. Also, liebe "Die Bahn", wir brauchen Dich und sind froh, wenn Du für uns da bist, auch wenn wir unsere Liebe nicht immer offen zeigen können. "Willst Du gelten, mach Dich selten", das gilt aber nicht für den Bahnverkehr. 
Und wenn aus diesem in einhundert, zweihundert Jahren eine Religion geworden ist, weil regelmäßige Fahrten nur dann stattfinden, wenn alle fest daran glauben, und falls nicht, dann wird es sich wohl um einen höheren Willen handeln, dessen Sinn sich uns gar nicht erschließen kann - dann werden wir nicht Fahrpläne forsten, um uns der Abfahrbereitschaft der Züge sicher zu sein, sondern Kerzen anzünden. Es sollte ähnlich großen Nutzen mit sich bringen.

4 Kommentare:

  1. Nur für den Fall, daß irgend jemand, der das hier liest, den Kalauer von den "vier Feinden der Bahn" tatsächlich noch nicht kennt: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

    Aber ich habe mal gehört, daß es vor allem die ICs und die ICEs seien, die aus allen möglichen Gründen und zu allen möglichen Jahreszeiten Verspätungen oder gar Ausfälle hätten -- daß sich die Lage bei Regional-Expressen und noch kleineren Kalibern also weniger leidig darstellte. Leider fahre ich nur selten etwas anderes als ICs, so daß ich die gute Nachricht nicht bestätigen kann, wohl aber natürlich die schlechte. Gerade wieder über die Neujahrstage: Hinfahrt 45 Minuten Verspätung auf knapp 300 km bei saublöder Informationspolitik am Zielbahnhof ("Zug ist ausgefallen", was nicht stimmte), Rückfahrt normal, also 10 Minuten Verspätung.

    Ja, Zustände wie in einem Entwicklungsland, daher wird bei der Bahn auch Englisch gesprochen.

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  2. Ich liebe es ja, wenn etwas unter Optimalbedingungen funktioniert. Aber wenn es nur dann klappt, ach nein...

    Ich bilde mir einfach mal ein, dass auf Ausfälle bzw. Verspätungen im Nahverkehr flexibler reagiert werden kann, weil mehr Züge zur Verfügung stehen und die Abstände der Abfahrtszeiten näher beieinander liegen; da wird dann eine Strecke schön regelmäßig, gern auch mal stündlich, gefahren. Anschlüsse warten dann auch meist.

    Die Informationspolitik an den Bahnhöfen ist allerdings scheußlich, niemand weiß etwas, auf "Provinzbahnhöfen" ist meist kaum erst ein Ansprechpartner zu finden, Ticket-, Infoschalter, so vorhanden, geschlossen.

    Ich wünsche jedem hier, dass er niemals auf einem unbeheizten Provinzbahnhof mit defektem Snackautomaten versumpfen muss!

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  3. Also, in der Wirtschafts-FAZ hatte es heute einen Artikel dazu, dessen liberalistische Grundtendenz mir persönlich mißfällt, der aber immerhin lesenswert ist...

    ("Daseinsvorsorge", das ist ein ökonomischer und verfassungsrechtlicher Fachbegriff, wie ich kürzlich belehrt ward...)

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  4. Der Artikel ist tatsächlich sehr interessant.
    Vielen lieben Dank für den Link!

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